
Öffentlicher Nahverkehr Die Busfahrer fehlen - und das hat Folgen
Tausende Busfahrer fehlen im Land. In den kommenden Jahren wird diese Zahl durch vermehrte Renteneintritte steigen. Die Auswirkungen bekommen nicht nur ÖPNV-Nutzer deutlich zu spüren.
Draußen ist es noch stockfinster, kein Mensch ist auf den Straßen zu sehen. Der 31-jährige Messi Azar beginnt seine Fahrt im Busdepot in Wiesbaden. Knapp 20 Minuten fährt er von hier aus erst einmal ganz allein. Diese Zeit am Morgen genießt er besonders.
Denn sobald der Bus sich füllt, ist Azar verantwortlich für Hunderte von Menschen. Vor zwei Jahren wurde er von einem Pkw auf der Busspur geschnitten und musste eine Vollbremsung einlegen, mehrere Menschen im Bus verletzten sich dabei. Daran muss er heute immer noch denken. "So viel Spaß der Job mir auch macht: Man muss immer aufmerksam bleiben. Man kann sich nicht erlauben, Fehler zu machen. Die werden immens bestraft."
Ein anspruchsvoller Job
Das ist nur ein Faktor, der den Job des Busfahrers anspruchsvoll macht. Unregelmäßige Schichten, Wochenendarbeit, vergleichsweise niedrige Löhne, aber auch psychischer Druck durch enge Fahrpläne und zunehmende Konflikte mit Fahrgästen führen dazu, dass viele ältere Beschäftigte dem Beruf frühzeitig den Rücken kehren. Gleichzeitig sind junge Fahrer wie Azar rar.
Die Branche stellt das vor massive Probleme. Schon jetzt fehlen deutschlandweit laut dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) rund 20.000 Busfahrer im ÖPNV. Das führt bei rund 65 Prozent der Unternehmen dazu, dass Fahrten ausfallen. Laut Prognosen des BDO könnte sich diese Zahl bis 2030 auf bis zu 65.000 erhöhen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Jochen Koppel, Gewerkschaftssekretär bei ver.di für den Bereich ÖPNV in Hessen, rechnet sogar mit wesentlich mehr.
Babyboomer gehen in Rente
Laut aktuellen Zahlen des BDO sind etwa 57 Prozent der Bus- und Straßenbahnfahrer älter als 55 Jahre, jährlich gehen 4.000 bis 6.000 von ihnen in den Ruhestand. Die hohe Quote von älteren Fahrern kommt daher, "dass viele ÖPNV-Unternehmen in den 1990er-Jahren aus Spargründen nicht eingestellt haben", sagt Lars Wagner vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Die Zahl der Babyboomer sei also überproportional hoch.
Damit mehr jüngere Fahrer nachkommen, seien bessere Arbeitsbedingungen "zwingend nötig", sagt Jochen Koppel von der Gewerkschaft ver.di. Azar wünscht sich zum Beispiel mehr Entlastungstage und mehr Wertschätzung. Derzeit muss er an manchen Tagen Verspätungen mit seinen Pausen ausbügeln - und schafft es so oft nicht mal mehr zur Toilette. Wenn er doch geht, treffe das bei vielen Fahrgästen auf kein Verständnis. Den Frust bekomme er auch bei Streiks zu spüren. "Viele Fahrgäste verstehen nicht, dass wir zu ihren Gunsten streiken, sodass alle Voraussetzungen stimmen für eine sichere Beförderung", sagt Azar.
Zu geringe Bezahlung, zu teure Ausbildung
Auch die Bezahlung könnte besser sein, meint er. Im Schnitt verdienen Busfahrer und -fahrerinnen in Deutschland 3.200 Euro brutto im Monat. Viele machen Überstunden, um genug zu verdienen, und kommen dabei teilweise auf über 220 Stunden im Monat. "Wir wollen alle gerne unseren Job weitermachen, aber unter anderen Voraussetzungen", so Azar. Der BDO verweist darauf, dass die Gehälter in letzter Zeit angestiegen sind und dass es sich die Unternehmen aufgrund des Fahrermangels nicht erlauben könnten, unattraktive Vergütungen oder Arbeitsbedingungen zuzulassen. Jochen Koppel von ver.di hingegen meint: "Es ist nicht genug."
Andere Voraussetzungen brauche es auch auf dem Weg zum Beruf des Busfahrers, fordert etwa der Landesverband Hessischer Omnibusunternehmen (LHO). Die Kosten für die Ausbildung und damit auch die Einstiegshürden in den Beruf seien immer noch viel zu hoch, so LHO-Geschäftsführer Volker Tuchan: "Die Kosten für den Busführerschein und die notwendige Berufskraftfahrerqualifikation liegen bei 10.000 bis 12.000 Euro. Ohne Förderung durch die Arbeitsagentur beziehungsweise das Jobcenter oder das Unternehmen selbst kann dies kaum gestemmt werden." In anderen EU-Ländern lägen die Kosten allgemein wesentlich geringer, da weniger Pflichtstunden abgeleistet werden müssten.
Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte zu kompliziert
Hinzu kommt laut BDO, dass die deutschen Ausbildungsvorgaben weit über das EU-Recht hinausgehen: "Diese bürokratischen nationalen Vorschriften sowie die hohe Anzahl von Pflichtstunden führen dazu, dass die deutsche Busfahrausbildung im europäischen Vergleich massiv überteuert ist und aufgrund der bürokratischen Ausgestaltung an Attraktivität einbüßt." Die Pflichtstunden müssten deshalb reduziert werden.
Ein weiteres Hindernis sind auch die Hürden bei der Anerkennung ausländischer Busführerscheine, beklagt der BDO. Zwar sei der europäische Arbeitsmarkt mittlerweile nahezu ausgeschöpft, aber in Drittstaaten stecke noch großes Potenzial. "Leider wird die Anwerbung dieser dringend benötigten Fahrerinnen und Fahrer durch die fehlende Anerkennung ihrer Qualifikationen erschwert", so der BDO. "In Deutschland kann im Gegensatz zu anderen Ländern die Berufskraftfahrerqualifikation nur in deutscher Sprache absolviert werden."
Gerät die Verkehrswende ins Stocken?
Die Politik habe man auf das Problem des Fahrermangels bereits aufmerksam gemacht, heißt es vom BDO. Die alte Bundesregierung habe auch schon reagiert und wirksame Maßnahmen wie die Reduktion der Pflichtstunden und die Möglichkeit der fremdsprachigen Prüfungen für die Berufskraftfahrerqualifikation auf den Weg gebracht. "Allerdings sind diese Gesetzgebungsprozesse alle aufgrund des Bruchs der Ampelregierung ins Stocken geraten und müssen von der neuen Bundesregierung nun zügig vorangebracht werden", so der Bundesverband.
Die in Rente gehenden Busfahrer und der dadurch entstehende Mangel werden auch zu einem Problem für die Verkehrswende und den Kampf gegen den Klimawandel. "Es ist zu befürchten, dass ein Ausbau des ÖPNV durch die Entwicklung tatsächlich ausgebremst wird", bestätigt Volker Tuchan vom LHO. Denn laut einer Studie im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland und der Gewerkschaft ver.di sind, "um schon das aktuelle Fahrtenangebot zu halten, bis 2030 etwa 63.000 altersbedingt freiwerdende Stellen im kommunalen ÖPNV neu zu besetzen. Für eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030, wie es die ehemalige Bundesregierung angestrebt hat, sind etwa 87.000 weitere Fachkräfte notwendig."
Mit Informationen von Lisa Brockschmidt.