Ein Schild weist den Weg zu einer Arztpraxis

Rheinland-Pfalz Kinderarztmangel in RLP - eine Quote im Medizinstudium soll's richten

Stand: 02.05.2025 12:25 Uhr

Arztpraxen klagen, Eltern sind verärgert: In Teilen von Rheinland-Pfalz fehlen Kinder- und Jugendärzte. Es muss etwas passieren, aber was könnte helfen? Das Land hat einen Vorschlag.

Kinderarztpraxen arbeiten in Rheinland-Pfalz oft am Limit. Das bekommen Eltern und Kinder direkt zu spüren, mit langen Wartezeiten oder langen Anfahrtswegen. Und wer einen neuen Arzt oder eine neue Ärztin sucht, sucht auch mal vergeblich.

Sollten Kinder aufgrund der Delta-Variante eine Corona-Schutzimpfung erhalten?

Langes Warten auf einen Impftermin - keine Seltenheit in Rheinland-Pfalz.

In der Sprache des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums liest sich das so: "Insgesamt ist Rheinland-Pfalz mit Kinderärztinnen und Kinderärzten gut versorgt, nur nicht in allen Regionen gleich gut." Das schreibt das Ministerium auf SWR-Anfrage.

Drohender Kinderarztmangel zum Beispiel in Kirn

Zu einer Stadt, die bald keine gute Versorgung mehr haben dürfte, zählt Kirn (Kreis Bad Kreuznach) mit seinen 8.500 Einwohnern. Hier findet Kinderarzt Bernd Zerfaß seit zehn Jahren niemanden, der seine Praxis übernehmen will. Zerfaß ist fast 70 Jahre alt, hat rund 1.600 kleine Patientinnen und Patienten und will seine Praxis nun sogar verschenken. Hier gibt es die ganze Geschichte:

Fast 20 Kinderärzte- und ärztinnen zu wenig im Land

In Rheinland-Pfalz fehlen rund 20 Kinderärztinnen und -ärzte, das geht aus Daten des Gesundheitsministeriums hervor. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm sind demnach drei Kassensitze nicht besetzt, im Kreis Altenkirchen 2,5. In den Landkreisen Cochem-Zell, dem Rhein-Lahn-Kreis, dem Westerwaldkreis und der Stadt Ludwigshafen sind derzeit zwei Kinderarztsitze frei. Auch in weiteren Landkreisen fehlen Kinderärzte. Das Problem dürfte sich verschärfen, wenn Mediziner wie Bernd Zerfaß bald in Rente gehen.

Was ist ein "Kassensitz"?
Wenn ein Arzt nicht nur Privatpatienten behandeln möchte, sondern auch gesetzlich Versicherte, benötigt er einen sogenannten Kassensitz. Denn nur mit einer kassenärztlichen Zulassung kann ein Arzt seine Leistungen über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen abrechnen. Die Kassensitze werden also von der KV je nach Bedarf in den einzelnen Landkreisen vergeben. Ob und wo ein freier Sitz im Land vorhanden ist, legt der sogenannte "Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen" fest. Diese Art der Bedarfsplanung wird auch kritisiert.

Den Daten zufolge gibt es tendenziell ein Stadt-Land-Gefälle. In den Städten gibt es mehr Kinderärzte. Aber diese Zahlen sind anscheinend wenig aussagekräftig, wie das Beispiel der Stadt Koblenz zeigt. Laut Stadtverwaltung gibt es in Koblenz derzeit sieben Praxen, in allen arbeiten mehrere Medizinerinnen und Mediziner. Dennoch würden diese Praxen derzeit größtenteils keine neuen Patienten mehr aufnehmen, weil sie überlastet seien. Denn die Koblenzer Kinderärzte würden auch Kinder aus den umliegenden Landkreisen mitversorgen, weil es dort zu wenige Mediziner gebe.

Land RLP: Quote soll gegen Kinderärztinnen-Mangel helfen

Das Land will mit einer Quote dagegen steuern: Die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte bekommen einen Studienplatz - müssen später aber zehn Jahre lang in einer Kinderarzt-Praxis in einem Gebiet mit "besonderem Bedarf" arbeiten. Auch Bewerberinnen und Bewerber ohne "Einser-Abitur" sollen eine Chance bekommen. Vor zwei Jahren wurde diese Landkinderarzt-Quote das erste Mal angekündigt - ab Herbst 2025 soll das Gesetz dazu in Kraft treten.

Kinderärzte aus Rheinland-Pfalz begrüßen den Plan des Gesundheitsministeriums grundsätzlich, eine "Landkinderarzt-Quote" in diesem Jahr einzuführen. "Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert", sagt zum Beispiel Peter Follmann aus Winnweiler im Donnersbergkreis. Seine Praxiskollegin Julia Windschügl hat Zweifel: "Ich weiß nicht, inwiefern man sich schon zu Beginn des Studiums so extrem festlegen kann, dass man jetzt Kinderarzt werden will. Bei mir kam dieser Wunsch tatsächlich erst später".

Im 5.000-Einwohner-Ort Winnweiler haben Follmann und Windschügl übrigens vor neun Monaten den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Trotz finanzieller Risiken und einer hohen Arbeitsbelastung. Für die Eltern der Region ein Glücksfall.

Kritik an geplanter "Landkinderarztquote"

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte meldet sich zur Landkinderarzt-Quote zu Wort. Vorsitzender Karl Christian Wantzen fordert andere Schritte, um an der Situation nachhaltig etwas zu verbessern: "Was es braucht, ist die Abschaffung der Bedarfsplanung auf dem Land", betont Wantzen. Dann könnten sich Praxen zusammenschließen, Verwaltungskosten sparen und dadurch insgesamt mehr Ärztinnen und Ärzte einstellen.

Arztmangel: Mehr Kinder in Notfallambulanzen der RLP-Krankenhäuser
Die angespannte Situation bei den Kinderärzten führt teils auch zu Problemen in den Krankenhäusern. Das Marienhaus Klinikum in Neuwied teilt mit, das immer mehr Eltern mit ihren Kindern in die Notfallambulanz kommen. Dadurch käme es dort zu teils stundenlangen Wartezeiten. Das Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus in Speyer bestätigt das. Dort kämen immer häufiger Eltern mit ihren Kindern vorbei, weil der eigene Kinderarzt im Urlaub sei und sie keine Vertretung gefunden hätten. In der Uniklinik in Mainz werden eigener Auskunft nach häufig Kinder mit akuten Erkrankungen behandelt, die beim Kinderarzt gar keinen oder nur einen späten Termin bekommen hätten. Und auch das Verbundkrankenhaus Bernkastel/Wittlich, das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein und das Mutterhaus in Trier bestätigen auf SWR-Nachfrage diese Entwicklung.

Zudem müssten Kommunen die Ärzte stärker finanziell unterstützten, wenn diese sich niederlassen wollen. "Die Infrastruktur muss stimmen", sagt Wantzen vom Berufsverband. So müsste es gute Verkehrsanbindungen vor Ort geben oder die Möglichkeit für die Kinderärztinnen und -ärzte, ihre eigene Familie mit ihrer Arbeit gut zu vereinbaren, zum Beispiel durch eine gute Vor-Ort-Betreuung der Kinder.

Auch andere Regionen steuern auf Mangel zu

Wenn all das nicht umgesetzt werde, könnten noch mehr Regionen im Land auf einen Mangel an Kinder- und Jugendärzten zusteuern. Davor warnen zum Beispiel die "Südpfalzdocs", ein Verein junger Ärztinnen und Ärzte, die sich im Süden von Rheinland-Pfalz stark machen für eine bessere medizinische Versorgung.

In fünf bis sieben Jahren erwartet der Verein in der Südpfalz ein Problem, denn in den Praxen arbeiten schon jetzt viele ältere Ärztinnen und Ärzte. Bei denen ist die Rente nicht mehr weit. Dann könnten auch hier immer mehr Familien das erleben, was in anderen Regionen des Landes Alltag ist.

Sendung am Fr., 2.5.2025 10:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4