
Baden-Württemberg Bis zu 500.000 Euro für Teamleiter - Mercedes-Benz startet Abfindungsprogramm
Der Autobauer Mercedes-Benz muss sparen und will Personal abbauen – Beschäftigte können mit einer hohen Abfindung rechnen. Tausende Mitarbeitende erhalten derzeit ihre Angebote.
Der kriselnde Stuttgarter Autokonzern Mercedes-Benz hat ein umfangreiches Abfindungsprogramm gestartet. Die Summen, die der Autohersteller denjenigen bietet, die das Unternehmen verlassen wollen, sind hoch: Ein 55-jähriger Teamleiter, der monatlich etwa 9.000 Euro verdient, kann nach 30 Jahren im Unternehmen mit einer Abfindung von mehr als 500.000 Euro rechnen. Eine 45- jährige Sachbearbeiterin, die seit 20 Jahren für Mercedes tätig ist und ein Gehalt von ungefähr 7.500 Euro brutto bekommt, soll ein Angebot über etwa 300.000 Euro erhalten. Etwa 40.000 Mitarbeitende, die bei Mercedes-Benz in Deutschland in der Verwaltung arbeiten, sollen bis zum 7. Mai ihr persönliches Angebot erhalten. Für Beschäftigte in der Produktion gilt das Abfindungsprogramm nicht.
Anwalt: "Mercedes verhält sich sehr anständig"
Der Stuttgarter Anwalt Stefan Nägele berät im Moment täglich Mitarbeitende, die solche Angebote erhalten haben. Er meint: „Das Unternehmen verhält sich, wenn man es vergleicht mit dem, was sonst am Markt stattfindet, sehr anständig. Also, das sind schon Beträge, bei denen man nachdenkt, ob man das Angebot annimmt.“ Auch Frank Hahn, der für die Kanzlei Kasper Knacke in Stuttgarter Mitarbeitende von Mercedes berät, sagt, vor allem für jüngere Beschäftigte seien die Summen sehr attraktiv.
Krise in der Autoindustrie: Für wen lohnt sich eine Abfindung?
Experten für Arbeitsrecht raten dennoch dazu, das eigene Abfindungsangebot intensiv zu prüfen. Nägele betont, die Entscheidung, das Unternehmen zu verlassen oder nicht, sei abhängig vom Alter und der persönlichen Lebensphase. Wer mit 40 oder 45 ausscheide, habe sicher gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, für ältere Beschäftigte dagegen sei es deutlich schwieriger.
Jeder und jede muss sich die Fragen stellen: Kann ich es mir leisten, zu gehen? Und wie lange reicht die Abfindung?“ Stefan Nägele, Stuttgarter Rechtsanwalt
Mercedes: "Gehen sozialverträglich und fair vor"
Zu Details der Abfindungsangebote macht Mercedes selbst keine Angaben, eine Sprecherin erklärte auf Anfrage des SWR: "Wir gehen sozialverträglich und fair vor. Die Abfindungsangebote sind darauf ausgerichtet, sowohl den Beschäftigten als auch dem Unternehmen eine nachhaltige Perspektive zu bieten."
Das Abfindungsprogramm basiert laut Mercedes auf der so genannten "doppelten Freiwilligkeit", das heißt, Mitarbeitende und Geschäftsleitung müssen zustimmen. Die Beschäftigten sollen also freiwillig gehen. Aber was ist, wenn sich zu wenige dafür entscheiden, das Unternehmen zu verlassen? Möglicherweise steigt dann der Druck.
Setzt Mercedes Beschäftigte unter Druck?
Was das bedeutet, haben mache Führungskräfte bei Mercedes bereits erlebt. Schon seit 2019 hat Mercedes die Zahl der Führungskräfte in den obersten drei Führungsebenen deutlich reduziert und will das auch weiterhin tun. Mercedes plane, überproportional viele Stellen im Management abzubauen, so eine Sprecherin. Dafür gebe es ein gesondertes Programm.
Und dabei ist das Unternehmen offenbar nicht immer zimperlich. Aus Gesprächen mit davon betroffenen Führungskräften weiß Anwalt Hahn: Wenn Mitarbeitende sich sperrten und das Arbeitsverhältnis eben nicht einvernehmlich mit einer Abfindung beenden wollten, würden diese immer wieder zu Gesprächen gebeten. Dabei fielen angeblich Sätze wie: "So ein Angebot kommt nie wieder. Überlegen Sie es sich gut, ob Sie das annehmen wollen – wir haben schließlich keine Verwendung mehr für Sie." Mercedes selbst wollte sich zu Spekulationen nicht äußern.
Warum Mercedes-Benz sparen muss
Der Stellenabbau bei Mercedes ist Teil eines Programms ("Next Level Performance"), mit dem der Hersteller bis 2027 dauerhaft jedes Jahr fünf Milliarden Euro einsparen will. Der Grund: Mercedes steckt aktuell – wie auch andere deutsche Hersteller – in der Krise: In den ersten drei Monaten 2025 ist das Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 43 Prozent zurückgegangen, von drei auf 1,7 Milliarden. Und auch 2024 lief mit einem Minus von 30 Prozent nicht gut für den Stuttgarter Hersteller.
Für Mercedes kommt momentan einiges zusammen – manches ist hausgemacht, manches der aktuellen politischen Lage geschuldet. Da sind zum einen die so genannten „Strafzölle“, mit denen der US-amerikanische Präsident Donald Trump Autos belegt, die in die USA importiert werden. Die Unsicherheit, wie die Zollpolitik weitergehen wird und welche Gegenmaßnahmen andere Regierungen ergreifen, hatte bei Mercedes kürzlich dazu geführt, dass das Unternehmen keinen Ausblick aufs Jahr 2025 wagte, dafür ist die aktuelle Lage aus Sicht des Vorstands zu unsicher.
Welche Rollen spielen Europa und China bei der Krise von Mercedes?
Aber nicht nur der nordamerikanische, sondern auch der europäische und vor allem der chinesische Markt machen dem Hersteller Sorgen – in Europa ging der Absatz im ersten Quartal um sieben Prozent, in China sogar um zehn Prozent zurück. China ist mit Abstand der wichtigste Markt für Mercedes, jedes dritte Auto wird dort verkauft. Vor allem die elektrischen Luxusautos der Marke treffen den Geschmack der Kunden dort offenbar nicht. Sie entscheiden sich immer häufiger für Fahrzeuge chinesischer Konkurrenten. Das ist auch schlecht für die E-Auto-Bilanz des Konzerns, 2024 sind die Verkäufe reiner E-Autos insgesamt um 24 Prozent eingebrochen.