Auf einem Platz in Kiew laufen Menschen an einem verrosteten und zerstörten russischen Panzer vorbei, davor bilden Buchstaben das Wort "Freedom" ("Freiheit").

Geringe Erwartungen an Istanbul-Treffen "Russland nimmt die Verhandlungen nicht ernst"

Stand: 16.05.2025 13:27 Uhr

Die Menschen in Kiew blicken mit sehr geringen Erwartungen auf die Verhandlungen mit Russland in der Türkei. Mit der Besetzung seiner Delegation habe Putin ein klares Zeichen gesetzt - gegen eine Chance auf Frieden.

Von Rebecca Barth, ARD Kiew

Wieder greift Russland in der Nacht mit mehr als 100 Drohnen an, gibt die ukrainische Luftwaffe bekannt. Wieder werden die Menschen in der Hauptstadt Kiew am frühen Morgen von Luftalarm geweckt. Wieder warnt das Militär kurze Zeit später vor russischen Raketenangriffen.

Für die Menschen in der Ukraine ist noch alles beim Alten. Entsprechend skeptisch schauen sie auf die Gespräche zwischen der russischen und ukrainischen Delegation in der Türkei. Russland nehme die Verhandlungen nicht ernst, sagt etwa Jurij Bilous. Das zeige Russland in jeder Hinsicht - "mit der Zusammensetzung der Delegation und ihrem generellen Ansatz", kritisiert er und betont: "Unsere Position ist: Wir zeigen Offenheit, unser Präsident ist da. Und die ganze Welt soll sehen, dass das ein Spiel von einem Menschen ist, der eine Pseudo-Verhandlungsgruppe aus Russland schickt."  

Enttäuschung über zweitrangige Delegation aus Moskau

"Nein, wir haben überhaupt gar keine Erwartungen. Aber wir müssen öfter Gespräche führen, damit das die ganze Welt sieht und uns unterstützt", sagt auch Olha, die ebenfalls in Kiew lebt. Entschiedener äußert sich ein Mann namens Andrij. Solange es keinen Waffenstillstand gebe, müsse die Ukraine auch keine Verhandlungen führen. "Die Russen schicken da irgendeine Delegation, da sollten wir jemanden schicken, der noch eine Stufe niedriger ist. Irgendeinen Vorsitzenden von einem Dorfrat. Sollen sie dort verhandeln", sagt er.

Dabei wünschen sich die Menschen in der Ukraine nichts sehnlicher als ein Ende des Krieges. Der Druck an der Front nimmt spürbar zu, berichten Soldaten seit Wochen. Experten erwarten eine neue russische Offensive. Laut ukrainischen Schätzungen werden bei den andauernden Kämpfen jeden Tag mehr als 1.000 russische Soldaten getötet. Wie viele Militärangehörige auf ukrainischer Seite sterben, ist nicht bekannt. Doch die Verluste sind auch hier hoch.

"Danach geht es weiter wie bisher"

Oleksandr in Kiew hofft, dass das Sterben bald ein Ende haben könnte: "Ich hoffe, dass sie sich auf irgendwas einigen. Unsere Soldaten an der Front, die Menschen in den besetzten Gebieten leiden. Ich möchte, dass das aufhört." Oleksandr hofft auf eine Einigung "zu angemessenen Bedingungen, die für uns zumindest ein bisschen gut sind". 

Von Hoffnung will Jewhen Bobrowskyj nicht sprechen. "Ich glaube, Selenskyj tut, was die meisten Ukrainer von ihm erwarten, aber ob das funktioniert?" Er bezweifelt es und mahnt: "Das einzige, was Putin versteht, ist Gewalt. Er versteht nichts von Gesprächen. Das wird einfach ein Treffen und dann geht es weiter wie bisher." 

"Russland hat Selenskyj als Clown bezeichnet", Vassili Golod, ARD Kiew, zu Friedensgesprächen zwischen Russland und Ukraine

tagesschau24, 16.05.2025 10:00 Uhr

"Putin hat kein Interesse an Frieden"

Die Treffen in der Türkei seien von ukrainischer Seite aus vor allem ein Zeichen an US-Präsident Donald Trump. Davon gehen die meisten politischen Beobachter in der Ukraine aus. Trump hatte vor wenigen Tagen unverzügliche Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gefordert. Denn dann - so Trump - könne man feststellen, ob eine Einigung möglich sei.

Eine Frage, die sich die Menschen in der Ukraine nicht mehr stellen. Die Antwort sei doch offensichtlich, meint der Politologe Wolodymyr Fesenko im Gespräch mit dem ukrainischen Fernsehsender Apostroph. Machthaber Putin habe kein Interesse an Frieden: "Der Ausgang dieser sogenannten Verhandlungen in Istanbul ist absolut vorhersehbar." Manche hätten vermutet, dass zumindest der russische Außenminister Sergej Lawrow und Kreml-Berater Juri Uschakow in die Türkei kommen würden. "Dann wäre das Niveau höher gewesen und es gäbe die Illusion, dass Russland tatsächlich verhandeln möchte. Aber die Situation wäre praktisch die gleiche", so der Politologe. 

Und so will die Ukraine zumindest noch einmal versuchen, auch dem amerikanischen Präsidenten klar zu machen, dass sie ein Ende der Kämpfe möchte - und bereit ist, mit dem Angreifer Russland zu verhandeln. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. Mai 2025 um 11:00 Uhr.