Rick Fink und Adrian Suarez
Europamagazin

Zu Besuch in der Butlerschule Von der Kunst, als Butler zu dienen

Stand: 10.05.2025 19:02 Uhr

Sie polieren Schuhe, lernen Weinkunde oder wie man das perfekte "Breakfast in Bed" zubereitet. Die Nachfrage nach Butlern in Großbritannien steigt derzeit. Auch, weil es immer mehr reiche Menschen gibt.

"Der Tisch ist noch zu leer, holt die großen Silber-Salamander und die kleinen Silber-Äpfel aus dem Schrank", ruft Rick Fink, 90 Jahre, seinen Schülern aus seinem Lehnstuhl zu. Ihr Auftrag: die Tafel für ein Festbankett decken.

Das Besteck ist bereits poliert. Fink macht absichtlich Druck, kein "please", kein "thank you". Seine Butler-Schüler laufen sofort los.

Aus den USA angereist

Für diesen zweiwöchigen Butler-Intensivkurs ist William Allan - trotz Flugangst - extra aus dem US-Bundesstaat Tennessee in die englische Grafschaft Oxfordshire gereist. Adrian Suarez ist aus der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires eingeflogen. Beide haben in ihren Heimatländern im Valet- und Butlerservice großer Hotels gearbeitet.

Aber jetzt haben sie einen neuen Traum: In England als Butler zu arbeiten - "am liebsten in einem Herrenhaus bei einer Familie", sagt Adrian Suarez. "Und wo kann man sich besser zum Butler ausbilden lassen als in England? Und wenn mir jemand alles dafür beibringen kann, dann Rick Fink."

In der Schule der Butler

Der Reichtum vieler seiner neuen Auftraggeber heutzutage beruhe auf "neuem Geld", sagt Rick Fink doppeldeutig.

Einfluss von Prinzessin Diana

Der 90 Jahre alte Fink hat mehr als 70 Jahre Erfahrung als Butler - zuerst in der Royal Navy, später für englische Adelsfamilien und die Königsfamilie. Die Idee eine Butlerschule zu eröffnen, habe ihm einst Prinzessin Diana gegeben, erzählt er.

"Eines Tages arbeitete ich für sie und sie sagte: 'Rick, Sie sollten eine Butler-Schule gründen'. Ich sagte: 'Madam, ich habe nicht genug Erfahrung.' Sie lachte nur und sagte: 'Sie wissen doch mehr als jeder hier im Kensington Palast.'" Jetzt gibt Fink sein Wissen schon seit mehr als 20 Jahren weiter.

Die meisten seiner Kurse finden, so auch heute, im Untergeschoß in den ehemaligen Wirtschaftsräumen des Herrenhauses Ditchley Park statt, wo Fink einen Raum angemietet hat. Die sogenannte Dienerruf-Anlage von einst hängt noch im Flur.

Auf dem Anzeigebrett leuchtete früher ein Lämpchen, sobald jemand oben im Haus das Personal rief. In den Prachträumen oben sieht Ditchley Park aus wie ein Filmset aus der britischen High-Society: Stuckdecken, Ölgemälde, breite Steintreppen, vor dem Eingang: ein gepflegter Kiesweg.

Im Herrenhaus Ditchley Park.

Im Herrenhaus Ditchley Park. Hier trafen sich auch schon Helmut Kohl und John Major.

Kohl traf hier einst den Premierminister

Wer es sich leisten kann, kann die Räume auch privat anmieten. Hier residierten auch schon Premierminister, Diplomaten, Staatsoberhäupter, wenn sie zu Besuch im Land waren. Als Kanzler traf Helmut Kohl hier einst John Major. Das Bild hängt im Flur, in dem die Butlerschüler trainieren.

Der Lehrplan ist voll: Stiefel polieren Weine präsentieren, Betten aufschlagen, Menüs planen, Gäste korrekt empfangen. Auch das richtige Maß an Diskretion gehört dazu - und vor allem Organisationstalent.

Wer zu lange beim Interview verweilt, wird zurückgerufen. Es geht um Details: Wie legt man Besteck korrekt? Wie faltet man Servietten? Wer bekommt welches Gästezimmer - je nach Status, Titel und Alter?

Charles Pasquier

Charles Pasquier schwärmt für seinen Beruf. Er hat seinen Job als Autodesigner in Paris aufgegeben, um Butler zu sein.

"Wie eine sehr gute Mutter"


Unterstützt wird Fink bei dem Kurs von Charles Pasquier, der selbst vor zehn Jahren sein Schüler war. Früher war Charles Pasquier Autodesigner in Paris, zuletzt hat er als Butler in einem englischen Schloss gearbeitet und sich nun selbstständig gemacht. "Es geht nicht ums Dienen", sagt er.

Man kümmert sich um Menschen und ist - wie Rick immer sagt - wie eine sehr gute Mutter. Manchmal ist man wie ein Familienmitglied - nie wirklich Teil davon, aber doch eng eingebunden.

Und das betonen sie alle hier: Traditionell ist der Butler der Chef des Hauses.

Rund 6.000 Euro kostet der Kurs, inclusive Unterkunft. Um sich das leisten zu können, hat der US-Amerikaner William Allan gleichzeitig in drei Jobs gearbeitet. "Ich habe keine Freundin - dafür war keine Zeit", sagt er. "Aber das ist es mir alles wert: Butler zu sein, hat so etwas Elegantes. Man braucht Disziplin, muss alles können, jedes Problem lösen."

Das Herrenhaus Ditchley Park.

Das Herrenhaus Ditchley Park.

Mehr Reichtum, also auch mehr Butler

In einer kurzen Mittagspause streift Charles Pasquier durch das Haus. Er bewundert die Architektur, das Mobiliar, die Geschichte der Räume. "Ich liebe Anwesen wie dieses", sagt er. In seiner jüngsten Butler-Anstellung hat er sogar die Kunstsammlungen im Haus mit kuratiert und katalogisiert.

Vor kurzem hat er sich selbstständig gemacht und arbeitet jetzt wochen- oder tageweise. Der Vorteil: Er kann in einer eigenen Wohnung leben statt auf dem Anwesen und hat ein wenig mehr Freizeit.

Um Aufträge macht er sich keine Sorgen. "Es werden sogar mehr Butler gebraucht - weil es mehr Reiche gibt. Das ist nicht nur eine gute Nachricht. Es zeigt auch, dass die soziale Ungleichheit weltweit zunimmt."

Auch Fink beobachtet diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Viele neue Auftraggeber seien die mit "neuem Geld", oft aus anderen Ländern, mit anderen Vorstellungen.

Ich will nicht sagen, dass sie es nicht verstehen - aber sie kennen die Rolle eines traditionellen englischen Butlers nicht. Was heute unter dem Titel 'Butler' läuft, genügt oft nicht meinem Anspruch.

"Das ist einfach so, aus Tradition"

Gerade deshalb will Fink weitermachen - solange es geht. Traditionen weitergeben, sein Wissen bewahren. Und seinen Schülern helfen, in einer Branche Fuß zu fassen, die zwischen jahrhundertealter Etikette und modernen Anforderungen neu austariert wird.

Wer bei ihm lernt, bekommt nicht nur Fachwissen, sondern auch Zugang zu seinem exquisiten Netzwerk. Eine Lektion, die er seinen Schülern am Ende dieses Schulungstages mitgibt: Niemals Fischmesser eindecken - die seien tabu im englischen Adel, bis hin in den Buckingham Palast. "Das ist einfach so, aus Tradition."

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