
Parade auf dem Roten Platz Kriegsgedenken und Kriegspropaganda
Heute gedenkt Russland der sowjetischen Opfer durch Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg. Doch Putin nutzt die Feierlichkeiten auch, um seinen Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen.
Punkt 10 Uhr auf dem Roten Platz in Moskau - der Ablauf fast unverändert, seitdem 1995 die jährliche Siegesparade eingeführt wurde: großes Militärorchester, Truppenabnahme, eine kurze Rede des Präsidenten, dann ziehen Soldaten und Kampftechnik vorbei. So auch heute, zum 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazideutschland.
Doch über den Roten Platz wird heute hinter dem traditionellen T-34-Weltkriegspanzer mehr Militärtechnik rollen als noch vor einem Jahr: Panzer, Interkontinentalraketen, Selbstfahrlafetten, Schützenpanzerwagen.
Unter den mehr als 10.000 Soldaten marschieren auch Einheiten aus dem Krieg gegen die Ukraine sowie Soldaten aus 13 anderen Ländern mit, darunter aus Vietnam, Ägypten oder China.

Dieses Jahr soll bei der Feier zum Tag des Sieges in Russland besonders viel Militärtechnik auf dem Roten Platz präsentiert werden.
Wichtigster Feiertag Russlands
Der heutige 9. Mai, das Gedenken an die 27 Millionen sowjetischen Opfer, die im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen, ist für die russische Bevölkerung der mit Abstand wichtigste Feiertag.
Während der Generalprobe zur Parade sagt ein Zuschauer: "Sie kennen vielleicht die Liedzeile: 'Es gibt keine Familie in Russland, in der man sich nicht an seine Helden erinnert.' Und genau das ist so, in jeder Familie gibt es einen Verwandten, der betroffen ist."
Die Erinnerung an die russische Geschichte und die eigenen Vorfahren sei wichtig, erklärt er. Für viele junge Menschen sei der Tag des Sieges nur ein weiterer Feiertag. Aber er hoffe trotzdem, dass "wir unsere Kinder genauso erziehen, wie wir selbst erzogen wurden".
Westliche Medien betonten oft, Russland wolle Europa erobern und die Sowjetunion wiederherstellen, meint er weiter. "Aber das ist doch ein recht verzerrtes Bild."
Staatsgäste trotz Kriegs gegen die Ukraine
Staatsgäste aus etwa 30 Ländern werden heute neben Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf der Tribüne vor der Kremlmauer stehen, etwa aus Nachbarstaaten Russlands, früheren Sowjetrepubliken wie Belarus, Kasachstan oder Armenien.
Auch die Präsidenten Chinas, Venezuelas, Brasiliens und der Palästinensischen Autonomiebehörde sind dabei. Ihre Präsenz soll zeigen, dass Russland trotz des seit mehr als drei Jahren andauernden Krieges gegen die Ukraine in der Welt nicht isoliert ist.
Sorge vor ukrainischen Drohnen
Und doch ändert der Krieg auch die Parade: So viele Sicherheitsvorkehrungen wie in diesem Jahr hat es am 9. Mai noch nie gegeben. Teile der Innenstadt sind abgeriegelt, das Mobilfunknetz abgeschaltet. Groß ist die Sorge vor ukrainischen Kampfdrohnen, insbesondere, nachdem diese in den vergangenen Tagen verstärkt Richtung Moskau flogen.
Zwar verkündete Putin eine dreitägige Feuerpause im Krieg gegen die Ukraine rund um den 9. Mai, aber die wies der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als zynisch zurück. Auf seinen Gegenvorschlag einer längeren, bedingungslosen, sofortigen Waffenruhe ging Putin nicht ein. Zudem hat das ukrainische Militär Russland schon jetzt Hunderte Verstöße gegen die Feuerpause vorgeworfen.
Propaganda, um den Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen
Der Kremlchef dürfte die heutige Parade auch für die Rechtfertigung seines Kriegs gegen die Ukraine nutzen. Denn die russische Propaganda zieht eine künstliche Parallele zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Krieg gegen die Ukraine: Immer noch gehe es um den Kampf gegen Nazis.
Es ist ein Kampfbegriff, den Putin auch regelmäßig für die Regierung unter Präsidenten Selenskyj nutzt. Die Parade auf dem Roten Platz soll dieses erdachte Narrativ weiter im Bewusstsein der eigenen Bevölkerung zementieren.
So behauptete Putin vor einigen Wochen: "Das Regime in Kiew ehrt die Mitläufer von Hitler, SS-Leute und setzt den Terror gegen alles Unerwünschte fort. In einigen europäischen Ländern wird die Russophobie als Staatspolitik gefördert. Wir werden alles tun, alles, um den Nazismus endgültig zu unterbinden und auszurotten."
Mehrere russische Zeitungen berichten, dass heute auf dem Roten Platz auch sogenannte Trophäen-Technik präsentiert werden soll: Kampfpanzer aus Deutschland, Schweden, den USA und Großbritannien, die während des Krieges in der Ukraine von russischen Truppen erbeutet wurden.
Die künstliche Verbindung - Sieg vor 80 Jahren über Hitlerdeutschland und baldiger Sieg in der Ukraine - wird während der Parade niemandem entgehen.